Leidenschaftlich aus dem Fenster schauen

Fotodokumentation, 2011/2010/2007

Leidenschaftlich aus dem Fenster schauen

 

Der Protagonist, der Künstler, steht in entspannter Haltung an einer Brüstung vor einer Glasfassade zu einem sich öffnenden Platz oder vor einem Fenster, dass einen Blick auf eine anzunehmende Parklandschaft öffnet.

Ihn als Protagonist zu beschreiben wäre wohl schon zu viel, denn Handeln ist hier nicht das Wesentliche. Anders als mit seinen individuell-propagandistischen Textpräsentationen im Stadtraum (siehe. z. B. Ausstellung bin beschäftigt, Gesellschaft für aktuelle Kunst, Bremen, 2006 oder postalternativ, Kunstraum Niederösterreich, Wien, 2009), ist der Auftritt des Künstler hier verhalten. Zwar ist er zentral auf der dokumentarischen Fotografie zu finden, doch ist seine „Pose" nicht die eines agitativ verlautbarenden Individuums. Eher nimmt er das „Verhalten" in seiner Doppelsinnigkeit wörtlich und verhält sich verhalten, in dem er sich von den Erscheinungen außerhalb des Museums mehr ins Faszinieren ziehen lässt, als von dessen, durch seine Abwendung degradierten, Sammlungen.

Sich abwenden und warten - oder besser, sich enthalten ist ein beliebtes Spielfeld der Künstler des letzten Jahrhunderts gewesen. Marcel Duchamp rauchte und enthielt sich als „der Erste" und John Baldessari, etwas später, kommentierte spärliche, körperliche Regungen mit dem Satz „I'm making Art". Womit er auch unfreiwillig den historische Fortgang dieser still seditösen Praktik schon vorzeichnete - aus einer subversiven Unterlaufungsstrategie ist inzwischen ein ganzes Genre geworden. Es hilft nichts, wer nichts tut, tut trotzdem, je homöopatischer der Akt um so potenzierter seine Kunsthaftigkeit - das ist wohl das „Midasproblem des Kunstkontextes".

So steht der Künstler am Fenster und besieht sich das, was da draußen jetzt mal so passiert. Etwa 15 Jahre nach dem Public Art Hype geht der Blick aus dem Museum zurück, auf einen Zeitraum, in dem die Kunst sich mit der Öffentlichkeit versöhnen wollte. In den 90ern brach sie auf - und aus - in die unendlichen Weiten der Gesellschaft um neue Kontexte zu erforschen und neue Formen zu entdecken, um dann im 21. Jahrhundert mit diesen Formen wieder im musealen Geviert zu landen. Site specific und interventionistisch waren die zu Beginn subversiven Akte und Taten der Künstler, die schließlich gezielt von kulturfördernder Seite zur Illustration einer Ideenfolie oder Bemäntelung jedweder Missstände im öffentlichen Gefüge eingesetzt wurden. New Genre Public Art wurde - ungewollt aber doch - Mitentwickler einer Ökonomisierung des öffentlichen Raumes und einer Melange aus Nützlichkeits- und Anwendbarkeitsidee von Kunst und dem Glauben an eine Kunstform, die einen klaren Umsetzbarkeitsrahmen hat. Ein Domstizierungspotenzial, dem zu Beginn der 90er mit dem Auswandern aus dem White Cube ausgewichen werden sollte, hat sich nun verteilt auf unterschiedlichste Kreise und der Diskurs wird nicht als Erweiterung sondern als Zähmung erkannt. Vielleicht sind die Musen zu einem Biotop geworden, in dem zeitweilig der Rücken freigehalten werden kann, um reflexive Haltungen sichern zu können.

Matthias Klos schneidet mit seiner Arbeit den Fundus von Rezeptionsmodellen und deren Spielformen in der Kunstgeschichte an. Sein Motiv ist das Wissen um die Notwendigkeit der Leerstellen in einem, von Diskursen durcherhitzten, Kunstkontext. Es ist ihm klar, dass man nicht nichts machen kann und man selbst Teil des angesprochenen Midas-Problems ist. Aber man kann Handlungsformen zur Darstellung bringen, die auf die individuellen, freien Virtuositäten zurückgreifen und mit ihnen assoziative Schnittmengen bilden, die einem zeitweilig einen kurzen Abstand vor den Diskursen ermöglichen - ein kurzer Vorsprung durch innehalten.

Gloria Lomak